Wie Sie Schwankungen von Liefermengen in Ausnahmesituationen gerecht werden

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Der Bullwhip-Effekt: Gemeinsam die richtigen Werkzeuge einsetzen und robuste Versorgungsketten etablieren

In herausfordernden Zeiten geraten in vielen Bereichen Versorgungsketten und Liefermengen unter Druck. Durch den Einsatz kleiner, einfacher Werkzeuge an den entscheidenden Stellen der Kette kann das gesamte Versorgungsnetzwerk sichergestellt und nachhaltig optimiert werden – ohne, dass einzelne Partner dabei benachteiligt werden.

Der Bullwhip-Effekt und seine Auswirkung auf die Supply Chain

Der Bullwhip- oder Peitschenschlag-Effekt findet sich in der Literatur oftmals als Extrembeispiel negativer Wirkungen, welche bei einer nicht-integrierten und nicht-abgestimmten Supply Chain drohen. Häufig wird eine Erhöhung der Absatzmenge zur Erklärung des Effekts in den vorhergehenden Versorgungsstufen herangezogen, doch auch die einmalige Absenkung der Bestellmenge im Absatz kann diesen Effekt auslösen.

Die Auswirkungen des Bullwhip-Effekts auf Liefermengen je Stufe

Die Grafik zeigt die Bestellmenge und den Bestand im Zeitverlauf. Der Güterfluss in der Supply Chain ist über mehrere Versorgungsstufen dargestellt. Auslöser des Peitschenschlag-Effekts ist eine Absenkung der Nachfrage im Absatz (grüne Linie) im ersten Graphen. Im Beispiel sehr plakativ: Die Nachfrage in Form der Bestellmenge bricht um die Hälfte ein.

  • Die Auswirkung auf Versorgungsstufe 1
    Bedingt durch die einseitige Absenkung der Bestellmenge im Absatz bauen sich in Stufe 1 rasch Lagerbestände (blaue Linie) auf. Stufe 1 muss reagieren und senkt die Bestellmenge bei Versorgungsstufe 2 ab, um die eigenen Lagerhäuser leer zu bekommen. Zu Beginn sinkt die Bestellmenge aufgrund der vollen Lager sogar in den negativen Bereich, das heißt es gibt keinen Güterfluss zwischen der ersten und zweiten Stufe.

    Im weiteren zeitlichen Verlauf (ca. in der Hälfte des Diagramms) sehen wir den Trendwandel: Der Bestand in den eigenen Lägern wird durch die nunmehr gleichbleibenden Bestellungen im Absatz schneller abgebaut, Stufe 1 ordert daher mehr Volumen bei Stufe 2. Stufe 2 kann zunächst durch eigene Lagerbestände liefern. Sind diese aufgebraucht, kann durch Lieferengpässe nicht so rasch wie gewünscht geliefert werden; Bestellmengen bleiben unerfüllt und die Lagerbestände sinken weiter, während die Bestellmengen noch weiter erhöht werden.

  • Die Auswirkung auf Versorgungsstufe 2
    Der Verlauf bei Stufe 2 gleicht der Stufe 1, allerdings sind die Ausschläge bei Bestell- und Lagerbestandsmenge deutlich höher. Ausgelöst durch den Einbruch der Bestellmengen von Stufe 1 bauen sich rasch Lagerbestände bei Stufe 2 auf. Die Bestellmenge von Stufe 2 bei Stufe 3 sinkt in den negativen Bereich. Auch hier kommt es im weiteren zeitlichen Verlauf zur Trendumkehr: Sinkende Lagerbestände aufgrund von Auftragserfüllung stehen steigenden Bestellmengen gegenüber.
  • Die Auswirkung auf Versorgungsstufe 3
    Hier können wir die höchsten Ausschläge im Verlauf sehen. Die Lagerbestände steigen immens an, während die Bestellungen bei weiteren Stufen über einen längeren Zeitraum aussetzen.

Was lässt sich daraus ableiten?

Je weiter eine Versorgungstufe vom Absatz entfernt ist und je mehr Versorgungsstufen dazwischen eingezogen sind, desto gravierender sind die Auswirkungen auf Bestellmenge und Lagerbestand.

Welche strategischen Lösungen bieten sich an?

Dieses sehr drastische Beispiel wird in der Realität durch strategische Kollaborationsmodelle (Supply Chain Integration) entschärft. Sind auf strategischer Ebene die Spielregeln zwischen den Partnern geklärt, können sich die taktischen und operativen Einheiten je Stufe abstimmen und eine gemeinsame Versorgungsplanung durchführen. In weiterer Folge können strategische Kontingente und stufenübergreifende Lieferpläne den Peitschenschlag-Effekt beinahe vollständig verhindern.
Hierbei können besonders in der operativen Logistik Kollaborationsplattformen helfen. Zwei Möglichkeiten, um zum Beispiel auf Basis von Lieferplänen und Lieferplaneinteilungen unternehmensübergreifend zu arbeiten sind das SAP Logistics Business Network mit dem Modul Freight Collaboration und die 360°-Logistikplattform myleo / dsc. 

  • Mit Modul Freight Collaboration (SAP LBN) wird die Möglichkeit geschaffen, frühzeitig mit dem Spediteur in die Kollaboration zu gehen, Zeitfenster zu planen und die Anlieferung zu verfolgen. Bei Engpässen oder Abweichungen kann dadurch frühzeitig reagiert werden. 
  • Die 360°-Logistikplattform myleo / dsc bietet die Möglichkeit der vollständigen Lieferantenintegration und ganzheitliche Avisierung von Anlieferungen. Dies bedeutet, der Lieferant kann die bestellte / abgerufene Ware direkt avisieren, etwaige Änderungen vornehmen und gleichzeitig den Spediteur beauftragen. Auch hier können folgend Zeitfenster gebucht und die Anlieferung verfolgt werden. 

Bei beiden Varianten besteht die Möglichkeit, automatisiert Folgeaktivitäten auf dem Werksgelände, im Lager und in der Produktion auszulösen.

Operative und taktische Werkzeuge

Die gesamte Abstimmung der Versorgungskette ist nur durchführbar, wenn die einzelnen Stufen in der Lage sind, die individuelle Situation zu steuern. Als Grundlage zur Steuerung bedarf es einer kontinuierlichen Auswertung der aktuellen Lage und der kurzfristigen Entwicklung – die Bewertung erfolgt in der nachgelagerten Steuerungsprozessgruppe.

Grundlegende Standardanalysen zur kurzfristigen Lagerentwicklung werden in den Lagerverwaltungslösungen der SAP bereitgestellt, beispielsweise durch die Groblastvorschau im SAP WM oder die Ausführungsvorschau im SAP EWM.

Durch die vorausschauende Auswertung von Bestellungen, Kundenaufträgen und Lieferungen ist die Entwicklung der aktuellen Situation anhand von einheitlichen Kennzahlen rasch bewertet. 
Werden im Rahmen der Supply Chain Integration allerdings individuelle Kennzahlen und KPIs je Versorgungsstufe durch die übergreifende Steuerungsprozessgruppe definiert, stößt der SAP-Standard an seine Grenzen. Essenzielle Standard-Kennzahlen (wie bspw. Lagerreichweite, Lagerumschlag, Lagernutzungsgrad, Lagerhaltungskostensatz) und individuell definierte Kennzahlen müssen, damit diese vergleichbar sind, anhand gleichartiger Datenquellen ausgewertet werden. 

In der Praxis führen Supply Chain Partner daher verpflichtende Dashboards ein, mit denen sie auch eigens vereinbarte Kennzahlen gleichartig evaluieren. Eine Anbindung an die in den jeweiligen Unternehmen eingesetzten SAP-Lösungen in den Bereichen Lagerverwaltung und Transport ist durch eine kontinuierliche Datensammlung möglich und leicht integrierbar.

Beispiele von Dashboards zur Bewertung der eigenen Situation

Die unternehmensübergreifenden Gremien haben aufgrund der einheitlichen Auswertung das richtige Werkzeug an der korrekten Stelle im Einsatz und können regulierend in das Netzwerk eingreifen. Durch die harmonisierte Datenbasis ist es zudem ein Leichtes, kollaborative Wochen- und Monatsplanungen sowie ein gemeinsames Forecasting auf Basis der KPIs durchzuführen.

Auswirkungen auf zu transportierende Mengen

Betrachten wir beim Bullwhip-Effekt nun die Zwischenstufen zwischen den Lägern, also die Transportmengen:

Auswirkungen des Bullwhip-Effekts auf die Transportmengen zwischen den Stufen (schematisch)

Aus der Grafik wird ersichtlich, dass die transportierten Mengen zwischen den Stufen ähnlich wie die Bestellmengen ausschlagen. Reduziert sich die Bestellmenge, reduziert sich gleichermaßen die Transportmenge mit geringem zeitlichem Versatz. Versucht eine Versorgungsstufe in weiterem Verlauf den Lagerbestand abzubauen, erhöhen sich wiederum die zu transportierenden Mengen.
Betroffen sind also nicht nur die Handelspartner in den Stufen der Supply Chain, sondern auch die Transportorganisationen und Transportpartner entlang der Kette. Erschwerend kommt hinzu, dass die Transporteure zwar in den Gremien übergreifender Steuerungsgruppen vertreten sind, die Informationen aus den Gremien aber nicht unbedingt zur Verbesserung der eigenen Situation nutzen können.

Ein Containerterminal als Beispiel

Das Terminal erhält zwar die Information, dass die Transportmengen einbrechen, es muss aber sowohl Personal als auch Lagerfläche für die nunmehr nicht genutzten Container vorhalten, im Extremfall sogar ausweiten. Die bereitgestellten Daten innerhalb der Kollaboration lassen sich zu entsprechenden Informationen für die interne Steuerung verarbeiten und mithilfe von Dashboards auswerten:

Abbildung 4: Planbarkeit kann durch Forecasting erzielt werden (Beispiel-Dashboards)

Der Einsatz von Prognose-Modellen ermöglicht es, die Dauer des Einbruchs zu prognostizieren. Das Unternehmen bleibt insgesamt planungsfähig. Im Sinne einer ganzheitlichen Supply Chain Collaboration sind in dieser Situation allerdings kreative Lösungsansätze gefragt: Können Handelspartner ihrerseits nicht-produktive Transporte (z. B. Umlagerungen zwischen Lägern) als Ersatz für den sonstigen Transporteinbruch beauftragen? Welche Transportkapazitäten können mit derartigen Ersatzleistungen erhalten werden?

Die Trend-Umkehr für Terminal und Transporteure

Nach der überstandenen Flaute kommt es zum Wiederanstieg der Transportmengen. Hinzu kommt, dass durch das Leeräumen der Läger der Versorgungsstufen das Transportvolumen je Verbindungsglied sogar über die historische Transportmenge steigt. Die Transporteure gehen gestärkt aus der Krisensituation hervor, sehen sich aber mit der nächsten Herausforderung konfrontiert: Die erhöhten Liefermengen müssen bei zunächst gleichbleibenden Kapazitäten bewältigt werden. Unterstützung erhält die operative Planung durch den Einsatz von automatisierten Transportplanungslösungen, welche eine intelligente Kombination von zu transportierenden Gütern oder Transportumläufen vorschlagen.

Beispiele für intelligente Transportplanung

Supply Chain collaboration

Die strategisch festgelegten Kooperationen innerhalb und entlang der Supply Chain bilden die Basis für eine gemeinsame taktische und operative Planung in Ausnahmensituationen und ermöglichen es, im Netzwerk solidarisch auf Veränderungen der Absatzmengen zu reagieren. Großes Potenzial bieten Ihnen Supply Chain Collaboration Tools, wie die myleo / dsc. Durch die Verzahnung von Bestell- und Lieferprozessen, Echtzeit-Informationen über Transporte und Lieferzeitfenster sowie die Möglichkeit, Bestandsinformationen über Unternehmensgrenzen hinweg in Portalen bereitzustellen, können Ihnen dabei helfen, die Risiken des Bullwhip-Effektes zu minimieren. 

IT-gestützte Lösungen für ein einheitliches Reporting und Forecasting sind verfügbar und ermöglichen ein unternehmensübergreifendes, kollaboratives Monitoring der Situation.
Selbst in Härtefällen können Forecasts die Planbarkeit von Unternehmen sicherstellen, die kritischen Situationen bleiben beherrschbar.

Steht Ihr Unternehmen vor ähnlichen Herausforderungen? Wollen Sie eine ganzheitliche Kollaboration in Ihrem Netzwerk etablieren? Wir beraten Sie gerne bei der Analyse Ihrer individuellen Anforderungen!

Bei Fragen zu diesem oder anderen Themen im Blog wenden Sie sich gerne an blog@leogistics.com.

Matthias Platzer
Senior Consultant SAP Logistics

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